(Gastbeitrag von Michael Egger) Die Unternehmensgeschichte ist ein Trägermedium – der Effecutation-Kühlschrank. Eine Unternehmensgeschichte kann nicht kopiert werden und dient bei Veränderungen als Anker für eine ungewisse Zukunft.
Unternehmerische Entscheidungen entstehen aus einer subjektiven wahrgenommen Logik heraus. Als Unternehmer und Unternehmerin sind wir aus mehreren Gründen dazu verpflichtet, den Blick und die Planung mit Fokus auf die Zukunft auszulegen. Das Geschäft muss laufen. Was passiert allerdings, wenn es zu Veränderungen oder Bedrohungen kommt? Das System des Status Quo, die Ausgeglichenheit zwischen Planung und scheinbarer logischer zukünftiger Entwicklung eines Unternehmens nicht mehr im Gleichgewicht sind? Wir uns nicht mehr auf die Zukunft verlassen können? Wir nicht auf Krisen vorbereitet waren und scheitern?
Dann helfen Blicke in die Vergangenheit und auf unternehmerische Wurzeln, um sich auf neue und nicht mehr planbare Veränderungen einstellen zu können. Die Geschichte, als Sammelbecken von Erfolg und Misserfolg, eines Unternehmens, lässt sich mit dem Effectuation Ansatz des unternehmerischen Kühlschrankes vergleichen. Bei Veränderungen und einer unsicheren Zukunft berufen wir uns auf unsere Wurzeln, auf unser Know How und meist den Rest an Perspektiven, um wieder zukünftig handlungsfähig zu sein. Alte Netzwerke wieder zum Leben zu erwecken, auf alte Erfolge wieder aufzubauen, Vergessenes hervorzuholen, oder sich seiner Geschichte in regionalen, branchenspezifischen Bezügen bewusst zu werden, sind kein klassischer Management-Weg. Und dennoch zeigen viele unternehmerische Beispiele, dass bei Krisen und Veränderungen die Historie und die noch vorhandenen Mittel entscheidende Chancen für die Zukunft bereit halten. Gründe sind unter anderem:
- Das Alte, verbunden mit Neuem, gibt Sicherheit. Was bereits erfolgreich war, kann wieder erfolgreich werden. Der Nostalgie-Ansatz ist ein heutiges Instrument, um neue Produkte oder Dienstleistungen eine erfolgreiche Beständigkeit zu geben.
- Erfolgsreiche Unternehmen haben Krisen, oder im schlimmsten Fall Kriege, überwunden, weil Sie in einem Effecuation-Ansatz folgend, ihre Mittel und Möglichkeiten ausgenutzt haben und sehr häufig einer unsicheren und wenig planbaren Zukunft mit kreativen Ideen begegnet sind.
- (Überwundene) Krisen oder Scheitern sind, als sichtbare Bestandteile der Unternehmensgeschichte, keine Mahnmale oder Brandmarken, sondern helfen uns, um daraus Problemlösungsstrategien zu entwickeln. Dies kann nur gelingen, wenn wir uns unserer Vergangenheit bewusst sind und nicht nur von der Gegenwart ausgehend, in die Zukunft planen.
- Aus der Geschichte zu lernen, bedeutet, Erfolge und Misserfolge in irgendeiner Art gesammelt zu haben. Ein Firmenarchiv, als historischer Kühlschrank, ermöglicht in der Markoebene eines Unternehmens anzusetzen und befähigt erst zur Sicht- und Nutzbarmachung der Historie.
- Konflikte in Familienunternehmen, das Aufeinandertreffen von Tradition und Moderne sind in vielen Unternehmensgeschichten ein fixer Bestandteil. Der Glauben an eine gemeinsame Geschichte kann hierbei generationenübergreifend bei Unternehmern und Unternehmerinnen und gleichzeitig deren Kunden ein Bewusstsein für Veränderungen erzeugen, welches positive Effekte nach sich ziehen kann.
Als exemplarisches Beispiel dient die Firmengeschichte eines Unternehmens, dass Sie alle kennen: Lego. Das Unternehmen wurde 1932 vom Tischlermeister Ole Kirk Christiansen in der dänischen Stadt Billund gegründet. Zuvor führte der Tischlermeister eine kleine Tischlerei, die jedoch nicht genügend Umsatz brachte, um sich und seine vier Söhne zu ernähren. Daher dachte sich Christiansen eine neue Marke aus, um sich am Spielzeugmarkt besser positionieren zu können: Lego. Lego bedeutet „spiel gut“, aber auch, was er damals nicht wusste, in der lateinischen Sprache „steck zusammen“. In den ersten Jahren wurden diverse hochwertige Holzspielzeuge erzeugt und ein Sohn half ihm bei der Buchhaltung. Bis schließlich 1942 ein erste große Kriese über das Unternehmen hereinbrach. Ein Brand zerstörte die Werkstatt mitsamt allen Zeichnungen und Modellen. Diese Krise wurde einem Effecutation-Ansatz folgend, überwunden, indem man sich auf das Know How, neue Ideen und vor allem das vorhandene Netzwerk konzentrierte.
Nach 1945 kaufte Christiansen eine damals sehr innovative und sehr teure Kunststoffspritzgussmaschine, mit der jetzt zusätzlich Plastikspielzeug erzeugt wurde. Neue kleine Spielzeuge wurden entwickelt, deren Planung jedoch nicht wie im klassischen Management funktionierte. Spielzeug wurde zu Feierlichkeiten an Kindern geschenkt. Weihnachten jedoch war und ist nur einmal im Jahr. Und ein Spielzeugauto war und ist eben ein Spielzeugauto. Der Absatz sank und die Lager wurden immer voller. Bei finanziellen Engpässen, die nun häufig auftraten, kleineren Minikrisen sozusagen, fuhr der Sohn des Gründers Gottfried mit seinem Privatauto zu Spielwarengeschäften und veräußerte selbst das erzeugte Spielzeug.
Daher entwickelte man wiederum eine innovative Idee, die aus einem Gespräch auf einer Geschäftsreise 1954 resultierte. Spielzeug mit System. Keine fertige Lösungen mehr, sondern die Kinder sollten selbst ein Haus, usw. zusammen bauen können und so ihre Phantasie stärken. Die ersten Lego Steine und Systeme wurden geboren. Aber sie hatten ein großes Problem. Zu Anfang waren sie innen hohl und fielen daher leicht auseinander. Daher wurden patentierte Röhren konstruiert, damit die Steine zusammen hielten. Ein weitere Brand zerstörte schließlich fast die gesamte Holzproduktion, woraufhin man sich entschloss, nur mehr auf Lego und deren Modelle zu konzentrieren. Die Innovationen blieben damit aber nicht stehen. Mit einem enormen unternehmerischen Risiko wurden zahlreiche weitere Pläne verwirklicht. Drei Jahre nach der Idee entstand ein eigener Flughafen in Billund und ein Park wurde verwirklicht: Lego Land.
Dieses Beispiel einer Firmengeschichte zeigt, dass Krisen und Unsicherheiten mit dem Effectuation-Ansatz überwunden wurden. Entscheidungslogiken basierten auf Erfahrungen und dem Glauben an innovative und völlig neue Produkte. Sicherlich gab der Erfolg dem Unternehmen bis heute recht, jedoch waren die dahin liegenden unternehmerischen Entscheidungen nur bedingt planbar. Zwei Brände und weitere Krisen, etwa die schweren Nachkriegsjahre, wurden mittelorientiert und oftmals durch Zufälle überwunden.
Ein Kuriosum ist, das wir im Normalfall unsere Geschichte kennen, sie aber selten wahr nehmen und verwenden. In Frankreich gibt es ein Sprichwort: „Die erste Generation baut auf, die zweite Generation baut aus und die dritte Generation zerstört.“ Warum überleben dann dennoch viele Firmen erfolgreich einen Führungswechsel. Und können gleichzeitig situationsflexibel reagieren? Weil Sie nie das Alte vergessen und von der Geschichte anderer und nicht nur ihren Erfahrungen lernen. Die Unternehmensgeschichte ist das Trägermedium – der Effecutation-Kühlschrank – wenn Veränderungen neue Ideen und deren Umsetzungen bedeuten, um am Markt bestehen zu können. History Content Marketing, die kreative, innovative und nachhaltige Sicht- und Nutzbarmachung der direkten und indirekten Unternehmensgeschichte, wie Branchen,- Produkt, – oder Markengeschichten, sind mittelorientiert, vorhersehbar und ermöglichen eine Vernetzung mit alten und neuen Ideen und Partnerschaften. Eine Unternehmensgeschichte kann nicht kopiert werden und dient als USP bei Veränderungen und als Anker für eine ungewisse Zukunft.
Text und Bild:
Michael Egger ist Berater, Autor, Blogger und Vortragender in Graz | www.erfolgszeiten.at