Gibt es einfache Beispiele für Effectuation-Gründungen?
Ja, wirklich viele. Zum Beispiel die Gründergeschichte von Felix und Thomas, zwei begeisterten Outdoor-Menschen: Die beiden haben sich 2009 auf einem Skilehrer-Austausch in Japan aus Langeweile zeigen lassen, wie man eine Mütze häkelt. Das hat ihnen bald wirklich Spaß gemacht, und sie haben dann ihre selbst gehäkelten Mützen bei all ihren Outdoor-Aktivitäten getragen. Als sie dann beide immer wieder auch von Fremden auf ihre Mützen angesprochen worden sind, kam ihnen der Gedanke, ein Geschäft rund um Häkelmützen aufzubauen. Heute kann man sich auf
www.myboshi.net seinen eigenen Boshi (japanisch für Mütze) konfigurieren, der dann von Menschen aus dem Netzwerk von Felix und Thomas in Oberfranken in Heimarbeit gehäkelt wird. Ein gutes Beispiel für „Zu kochen beginnen mit dem, was ich im eignen Kühlschrank habe.“
Welche Rolle spielt die Idee für ein Vorhaben?
Die brillante und todsichere Idee ist wohl ein Mythos. Wer nach Effectuation an sein Vorhaben / seine Gründung herangeht, braucht nicht unbedingt eine gute Idee, sondern zunächst nur einen Anlass zum Handeln. Man kann mit noch vagen Ideen loslegen und diese exponieren, etwa gegenüber potenziellen Kundinnen oder Partnern. Meine Idee wird in dem Maße besser, in dem es mir gelingt, andere ins Boot zu holen. „Ins Boot holen“ ist etwas anderes als einfach nur Feedback für eine Idee zu sammeln. Es geht nicht um Meinungen á la „Facebook-Likes“, sondern darum, ob andere bereit sind, ihre Mittel (Zeit, Informationen, Netzwerk, Geld, …) in das Vorhaben einzubringen. Gute Ideen sind also oft nicht der Ausgangspunkt eines erfolgreichen Geschäfts, sondern das Ergebnis eines Prozesses der Co-Kreation.
Muss man Visionär sein, um unternehmerisch zu handeln?
Die wenigsten erfolgreichen Unternehmer sind Visionäre. Die eigentliche Schlüsselqualifikation entspricht eher dem Bild eines kreativen Tüftlers. Sie gehen das Machbare an, anstatt sich lange mit Analysen und Prognosen aufzuhalten. Erfahrene Unternehmer sind mit dieser Methode Experten für neue Wege unter turbulenten Bedingungen. Sie kochen dabei mit dem, was bereits im eigenen Kühlschrank ist, ohne feste Zielvorgaben. Sie begrenzen das Risiko, nutzen Umstände und Zufälle und kreieren die Zukunft gemeinsam mit anderen.
Was zeichnet die typische Unternehmerin aus?
Unternehmerisches Handeln kann jeder lernen. Die Frage ist daher nicht „Welche Typen sind Unternehmertypen?“ sondern „Welche Art von Unternehmer kann jemand auf Grund dessen, wer er ist, was er weiß und wen er kennt, werden?“. Die Optimisten erfinden dann beispielsweise das Flugzeug, während die Pessimisten den Fallschirm auf den Markt bringen.
Was tue ich, wenn ich nach Effectuation vorgehe?
Wenn Sie nach Effectuation vorgehen, dann handeln Sie auf Basis dessen, was ihnen zur Verfügung steht, holen andere früh ins Boot und handeln in kleinen Schritten aus, was zuvor nicht denkbar – geschweige denn planbar – war. Dabei achten Sie auf Überraschungen am Weg. In Zufällen – und mitunter Unfällen – stecken Hinweise für das weitere Vorgehen.
Wann lohnt sich Effectuation?
Immer dann, wenn planen schwer möglich ist: wenn sich die Randbedingungen dauernd ändern, die Richtung noch verhandelbar ist und keiner genau sagen kann, was am besten zu tun wäre. Das ist bei Gründung der Fall. Das weite Feld der Innovation und der Produkt- und DL-Entwicklung sind ebenfalls “Zirkel der Unsicherheiten”. Aber auch wenn Unternehmen neue Geschäftsfelder oder Geschäftsmodelle erschließen oder die Ungewissheit in Form von organisatorischen Veränderungen im Haus ist, leistet Effectuation ausgezeichnete Dienste.
Wann sollte man nicht nach Effectuation vorgehen?
Wenn keiner weiß, wohin, dann ist Effectuation besonders wirkungsvoll. Man kann beginnen, auf Basis des Verfügbaren zu handeln und in kleinen leistbaren Schritten loszulegen, auch wenn die Ziele noch nicht fix sind und die verfügbaren Informationen keine klare Richtung weisen. Das ist etwa für Gründer am Anfang fast immer der Fall. Linear-kausales Vorgehen á la Businessplan macht dann Sinn, wenn ich etwas funktionierendes inkrementell verbessern oder skalieren möchte. Das bedeutet, wenn ich bereits eine gute Planungsbasis habe, dann sollte ich diese auch nutzen!
Was bedeutet Effectuation für die persönliche Karriereentwicklung?
Viele Menschen entdecken Elemente von Effectuation in ihrer eigenen Laufbahn wieder. Wer kann von sich schon sagen, dass das, was sie oder ihn heute ausmacht das Ergebnis von Zielen ist? Hat man das Muster erst einmal erkannt, dann kann man es auch willentlich anwenden, Ziele flexibel halten und günstige Gelegenheiten am Weg ergreifen. Daher wird Effectuation heute auch in der Arbeitssuche und in der Karriereentwicklung angewandt. Aus „was kann und möchte ich tun?“ wir dabei die Frage „was noch kann ich mit dem wer ich bin, was ich weiß und wen ich kenne tun?“
Welchen Mehrwert stiftet Effectuation für Berater?
Berater können mit Effectuation ihren Methodenkoffer in das Feld ungewissheitsbehafteter Projekte erweitern. In der Praxis ist es dabei häufig gar nicht nötig, beim Klienten auf die Herkunft oder die Mechanismen der Methodik einzugehen. Erfahrungen aus dem Kreis unserer Effectuation Experts zeigen wie der Einsatz von Effectuation-Tools in solchen Projekten schnell zu Ergebnissen führen kann. Häufig besteht der Mehrwert vor allem in einem offenen und proaktiven Umgang mit der Ungewissheit.
Wo kann man Effectuation lernen?
Effectuation ist in der Zwischenzeit Gegenstand einer Vielzahl von Publikationen, die es ermöglichen, erste Eindrücke zu vertiefen und sich Grundprinzipien, Beispiele und Tools anzueignen. Darüber hinaus werden im deutsch-sprachigen Raum immer wieder Workshops angeboten. Das umfangreichste Format stellt das Effectuation Expert Curriculum dar, das von Effectuation Intelligence durchgeführt wird und sich über 5×3 Tage erstreckt.
Auf welche Fragen kann man Effectuation anwenden?
Vom Grundsatz her geht es immer um Fragestellungen, die mit Ungewissheit behaftet sind. Dazu können Innovationsprojekte, Gründungsvorhaben, Change-Projekte oder auch die persönliche Karriereentwicklung zählen.
Wem nützt Effectuation?
Derjenigen, die konstruktiv und handlungsbasiert mit Ungewissheit umgehen will. Demjenigen, der mit Nachforschungen und Planen nicht weitergekommen ist. Derjenigen, die ein Projekt unternehmerisch angehen will. Allen, die vor allem TUN wollen.
Wird Effectuation an Hochschulen gelehrt?
Effectuation wird an immer mehr Hochschulen und Universitäten gelehrt. Es ist zumeist Bestandteil betriebswirtschaftlicher Ausbildung und dort vor allem in der Vertiefung Entrepreneurship und Gründungsmanagement anzutreffen.
Was bedeutet Effectuation für die Gründerbegleitung?
In der Gründungsförderung spielt Effectuation neben anderen aktuellen Themen wie Geschäftsmodell-Design und Business Planning als wichtige Ergänzung vor allem für die Frühphasen einer Gründung eine zunehmend wichtige Rolle. Viele Förderinstitutionen integrieren die Methode in der Zwischenzeit in ihre Workshopformate.